© Südostbayernbike
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Ökochallenge Axel

Mit dem ÖPNV in die Chiemgauer Alpen

11.02.2024

Mist. Urlaub und abklingelnde Sommergrippe – Dolomitentour ade, aber da steht ja noch was mit Rückenwind im Schuppen und eine schon längst zu erledigende Aufgabe wartet - Ökochallenge oder eine Tour ohne Auto von daheim.

Recherche

Mist. Urlaub und abklingelnde Sommergrippe – Dolomitentour ade, aber da steht ja noch was mit Rückenwind im Schuppen und eine schon längst zu erledigende Aufgabe wartet - Ökochallenge oder eine Tour ohne Auto von daheim.

Also wenn man nach “Fahrradmitnahme” und “Chiemgau” googled, dann findet man schnell diese Übersicht:

Informationen zum Fahrradtransport im ÖPNV | Chiemsee-Alpenland Tourismus

Bei so vielen Verkehrsverbänden wird’s doch was gehen, zumal Chieming ja kein kleiner oder untouristischer Ort ist. Schnell wird klar, dass nicht erwähnte ÖPNV aber auch gar keine Radl mitnehmen – z.B. RVO in den meisten Bussen. Mir schwant schon, dass das länger dauern wird und ich träume mich zurück zu den Nachbarn, wo es eine App (SBB = Schweizer Bundesbahnen) für alles gibt.

Naja, Chiemseeringlinie seh ich regelmäßig mit meist ziemlich leerem Radlhänger. Ok, der Blick in den Fahrplan lässt vermuten warum. Von mir in Egerer bis z.B. nach Prien braucht der Bus 1h 20min, da wäre ich mit dem Auto mitten im Zillertal bzw. mit Radl direkt deutlich schneller. Und eine Tagestour dann erst um halb elf zu starten, naja....

Ok, aber es gäbe sogar Anschluss an die Buslinien im Achental und Priental bis Sachrang – allerdings ist Radmitnahme dort nicht sicher – man könne nachfragen aber vorsichtshalber findet man keine Telefonnummer – toll.

Nächster Versuch: Schiff: hier ist Radmitnahme nicht garantiert und es wird vor Ferienzeiten und vormittags sowie schönem Wetter gewarnt – auch blöd von mir, dass ich meine Touren nicht nachmittags im Regen starte. Leider kann man nicht einmal reservieren, wie z.B. in der Schweiz, wo ich das regelmäßig bei Alpenvereins Ausfahrten auch für bis zu 14 Leute mache. 

Verstörenderweise kostet dann ein E-Bike doppelt so viel, wie ein “normales” - wahrscheinlich hatte man da das Modell neureiche, alleinerziehende Mama mit Trailer im Hinterkopf? Egal, das könnte ja dann nachmittags eine aussichtsreiche Rückroute von Prien werden – also am besten Start entgegengesetzt im Osten.

Die BRB fährt in nur 20min von Traunstein nach Ruhpolding und das nicht nur 3x am Tag sondern regelmäßig – 5,10€ ist auch ein Wort und Radmitnahme ist KOSTENLOS – Jackpot (Leider hat die BRB inzwischen die Fahrradmitnahme kostenpflichtig gemacht, ausser auf einigen wenigen Strecken). Leider nimmt der Bus von Chieming nach TS keine Radl mit, aber irgendwas ist ja immer – dann halt von daheim wegtreten, ist eh wieder schneller als der Bus wäre --> Plan check.

Tour

Wecker auf 7:00, beim Frühstück noch schnell ein Ticket online gekauft – dabei 25 mal die Cookies, die auf jeder Seite neu kommen, bestätigt, aber hey, die Ansprüche sinken, ich habe einen digitalen Fahrausweis!

Bestes Wetter, super klare Berge und es rollt trotz zweier Baustellen und kleiner Umleitungen ganz gut nach Traunstein. Vom Tunnel auf den Bahnsteig könnte man sich eine durchgehende Spur zum Hochschieben wünschen, aber fairerweise könnte man den Fahrstuhl nehmen. Überraschung am Bahnsteig, da warten noch 3 weitere Radler mit mir und auch aus dem pünktlichen Zug purzeln so 5-6 Radl mit Besitzer heraus – ich bin nicht allein! Die Fahrt ist unspektakulär und free WiFi sorgt für Hochgefühle - es geht doch!

Die Fahrt von Ruhpolding an der Traun entlang zu den Seen ist schön ruhig am Morgen, das Licht herbstlich warm, die Luft noch recht kühl im Schatten. Das klare Wasser überall unterwegs begeistert mich immer wieder – scho schee daheim. Von den auf unsere Anregung hin korrigierten Hinweisschildern am Weitsee geht es endlich etwas bergauf zum Röthelmoos und weiter zum Kanonenpass. Hier begegne ich einer geführten Gästegruppentour, die alle ganz gespannt auf die rasante Forststraßenabfahrt sind, wovor der Guide dramatisch warnt, dann aber die “Racer” nach vorn winkt – mir ist kurz schlecht aber ich fang mich wieder.

Naja, kurz oberhalb der Feldlahnalm beginnt für mich dann ein wenig Trailspaß: den Hammerer Graben auf Oberwössen runter. Dummerweise hatte ich in der Woche vormittags nicht mit so vielen Wandersleit gerechnet, so dass trotz freundlichstem Verhalten meinerseits die ersten Hinweise nicht lang auf sich warten ließen: “Darfst du da überhaupt fahren?” oder “Du sollst doch hier net fahrn” sind die netten Varianten alter einheimischer Ladies heut.

Sei’s drum, ich freu mich eher auf die Flowtrails oberhalb des Wössener Baches hinab nach Unterwössen und dann weiter nach Marquartstein. Hier mach ich einen Schlenker zur Wirtschaft beim Märchenpark, um gleich noch über den ersten offiziellen Trail an der Hochplatte und das Season Opening 2024 zu schwätzen. Hier sind wir auch immer mit unseren Fahrtechnikkursen als Biker sehr willkommen.

Nach der Stärkung geht es über Zeppelinhöhe und Strehtrumpf weiter Richtung Hefter und dann wieder runter nach Rottau. Dort startet der zweite längere Anstieg zwischen Erlberg und Gedererwand durch auf die Aschauer Seite. Noch ein weiterer kurzer Schnapper bergauf und der Einstieg in die Reitwege, ein durchgängig anspruchsvoller S2 Trail, ist rasch erreicht. Ein Gatter ist so verrammelt, dass man das Bike nur drüber tragen kann – danke und unten raus gab man sich auch etwas Mühe die Radler zu bremsen...

Stopp an der Kampenwandbahn, auch um Wasser aufzufüllen und die Idee evtl. nochmal hochzufahren – es hieß ja, dass die Bahn ab 13:30 auch Radl für 5€ Aufpreis transportiert. Die Dame am Schalter meinte dann aber was von keine E-bikes und murmelte was von bis 26” oder so, geschenkt dachte ich mir, hätte oben erwähnte “Chiemsee-Alpenland” - Seite auch erwähnen können. Auch hier gibt es übrigens keine durchgehende Rampe auf der Treppe zum Hochschieben.

So kurbel ich leicht oberhalb von Aschau talauswärts Richtung Bärnsee - das zweite Moor heute nach dem Röthelmoos. Weiter geht es dann wenig spektakulär nach Prien, wo ich mir erstmal einen Eiskaffee gönne, bevor ich mich zur Chiemseeschifffahrt aufmache. Leider stellt sich raus, dass ich über eine Stunde auf mein Schiff warten müsste und dieses dann nochmal 1,5h bis nach Chieming braucht. Randbemerkung: Dort kann man nicht nur Schiffs- sondern auch Zeitreisen unternehmen, sie akzeptieren nämlich nur Bargeld! Man wird aufgefordert, von dem 4m entfernt hängenden Geldautomaten das Geld zu holen, rüber zutragen, damit die das dann jemanden geben können, der das da wieder einfüllt - toll! Also wir reden hier nicht vom Hofladen des Huber Sepp aus Hinterunterhausen sondern vom größten Hafen der Chiemsee Schifffahrt!

Egal, ich habe ja noch einen roten Strich Akku und nur ca. 27km heim, also tret ich entgegen meinem ursprünglichen Plan los. Erstaunlicherweise hält der Akku durch und ich gönne mir 1km von daheim entfernt noch ein kühlendes Bad im Chiemsee – der war Anfang September auch noch nie so warm.

Fazit

Nach über 100km und über 2000Hm war es ein langer erlebnisreicher Tag mit spannenden Begegnungen. Ob das so Sinn macht oder welche anderen Touren möglich wären, müsste man sich mal überlegen. Jedenfalls muss man die Tour schon um das Angebot herum bauen – normal würde ich z.B.  nie früh nach Traunstein radeln.

Chiemseeschifffahrt und Ringlinie haben ganz klar eine andere Zielgruppe, hier geht es nicht um “lass das Auto zu Haus stehen” sondern um rein touristische Blickwinkel. Die BRB bekommt ein dickes Lob – so etwas sollte es in jedes Tal rein geben, mit kostenloser Radmitnahme fühlt man sich hier auch echt willkommen (wie bereits weiter oben erwähnt ist die Radmitnahme leider nicht mehr kostenlos).

Insgesamt fehlt eine zentrale App, die mir sagt, wie ich von A nach B mit Radl komme – allein fürs Durchklicken hab ich ca. 3h gebraucht. Aber wahrscheinlich bin ich durch Erfahrungen in der Schweiz schon arg verzogen. Immerhin weiß ich jetzt, dass Radl meist so viel wie Hunde kosten.

Am Ende steht die Frage: Würde ich das wieder machen? – aktuell ein klares Nein, solange mein E-Auto mit Ökostrom lädt. Anders gefragt, was würde mich umstimmen? Ein deutlich breiteres und vor allem vernetztes Angebot mit verbessertem Service oder eine Verknappung von Parkmöglichkeiten zusammen mit einer deutlichen Tariferhöhung fürs Parken in den Tälern. 

Aber das wird im Chiemgau nicht so schnell kommen, eher werden jedes Jahr die Parkmöglichkeiten erweitert. Aber vielleicht kann ich dann in 20 Jahren noch im Oktober bei 20°C im Chiemsee schwimmen gehen.